Stell dir vor: Draußen tobt ein Sturm, der Wind heult, der Regen peitscht gegen die Fenster. Drinnen, eingekuschelt in eine warme Decke, liest du einen Roman. Aber nicht irgendeinen Roman, sondern einen, der von ungezügelten Gefühlen, von Liebe, Sehnsucht und der Schönheit der Natur erzählt. Du bist mittendrin in der Romantik! Aber Moment mal, welche Epoche kam eigentlich direkt vor dieser Explosion der Gefühle? War da nicht noch was?
Die Antwort lautet: Ja! Bevor die Romantiker mit ihren gefühlsbetonten Werken die Bühne der Literatur betraten, regierte die Epoche der Aufklärung, auch bekannt als Zeitalter der Vernunft. Von etwa 1720 bis 1800 prägte diese Zeit den deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Vergiss romantische Helden, die von ihren Gefühlen geleitet werden! In der Aufklärung stand der Verstand im Mittelpunkt. Logisches Denken, kritisches Hinterfragen und der Glaube an die Vernunft und den Fortschritt waren die zentralen Themen dieser Zeit.
Die Aufklärung war eine Reaktion auf die starren Dogmen des Mittelalters und die übertriebene Pracht des Barock. Man sehnte sich nach Wissen, Bildung und Freiheit. Philosophen wie Immanuel Kant und John Locke lieferten die geistigen Grundlagen für diese neue Weltsicht. Kant rief mit seinem berühmten Ausspruch "Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" dazu auf, sich von alten Denkweisen zu lösen und selbstständig zu denken.
In der Literatur spiegelte sich diese neue Denkweise deutlich wider. Weg von der prunkvollen Sprache des Barock, hin zu einer klaren, verständlichen Ausdrucksweise. Wichtige Vertreter der Aufklärung waren Gotthold Ephraim Lessing, der mit seinen Dramen für Toleranz und Humanität plädierte, und Friedrich Schiller, dessen Werke von Freiheitsdrang und Idealismus geprägt sind. In seinen Dramen und Gedichten setzte sich Schiller kritisch mit den gesellschaftlichen Zuständen auseinander und rief zur moralischen Verbesserung auf.
Die Aufklärung war eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit, in der die Weichen für die moderne Welt gestellt wurden. Sie brachte wichtige Errungenschaften wie die Menschenrechte, die Gewaltenteilung und die Abschaffung der Folter hervor. Die Romantik, die auf die Aufklärung folgte, mag zwar für ihre gefühlsbetonten Werke bekannt sein, doch ohne die Vernunft und das kritische Denken der Aufklärung wäre sie undenkbar gewesen. Erst durch das Hinterfragen der bestehenden Ordnung und das Streben nach Wissen und Freiheit konnte der Weg für die emotionale Tiefe und die Sehnsucht nach dem Unendlichen, die die Romantik ausmachen, geebnet werden.
Die Aufklärung mag zwar vorbei sein, doch ihre Ideen sind aktueller denn je. In einer Zeit, in der Fake News und Verschwörungstheorien im Umlauf sind, ist es wichtiger denn je, kritisch zu denken, seinen eigenen Verstand zu benutzen und für Freiheit und Toleranz einzustehen. Vergessen wir also nicht die Epoche, die uns gelehrt hat, den Verstand zu benutzen, und die den Grundstein für die Freiheiten gelegt hat, die wir heute genießen.
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